Können Mieter eine Eigenbedarfskündigung mit ärztlichem Attest abwehren?

Kündigt der private Vermieter seinen Mietern wegen Eigenbedarf, landet der Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Gericht. Mieter versuchen sich mit den unterschiedlichsten Begründungen gegen die Kündigung zu wehren. Häufig werden gesundheitliche Gründe angeführt. Aber reicht es in diesem Fall aus, dem Gericht ein ärztliches Attest vorzulegen? Darüber hat der Bundesgerichtshof jetzt geurteilt.

Wenn der Mieter eine Eigenbedarfskündigung verhindern will: Hilft ihm dann ein ärztliches Attest?

Kündigt der private Vermieter seinen Mietern wegen Eigenbedarf, landet der Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Gericht. Mieter versuchen sich mit den unterschiedlichsten Begründungen gegen die Kündigung zu wehren. Häufig werden gesundheitliche Gründe angeführt. Aber reicht es in diesem Fall aus, dem Gericht ein ärztliches Attest vorzulegen? Darüber hat der Bundesgerichtshof jetzt geurteilt.

Karlsruhe. Ein ärztliches Attest allein reicht einem Mieter nicht, um sich gegen eine Eigenbedarfskündigung zu wehren. Wenn der Mieter meint, aus gesundheitlichen Gründen nicht ausziehen zu können, muss das vor Gericht mit einem Gutachten eines Sachverständigen genau beleuchtet werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt klargestellt und damit auch näher definiert, was das Gutachten in solch einem Fall leisten muss (Urteil vom 28.04.2021, Az.: VIII ZR 6/19).

Zu diesem Ergebnis kamen die Bundesrichter anlässlich einer Räumungsklage, gegen die sich ein Mieter aus Berlin zu wehren versucht. Der Berliner wohnt seit 30 Jahren in der gemieteten Wohnung, das Landgericht geht davon aus, dass er fest in seinem Kiez verwurzelt ist. Im Jahr 2016 kündigte der Vermieter ihm allerdings, um Eigenbedarf geltend zu machen: Die Tochter des Eigentümers benötigt die Wohnung. Der Mieter wollte nicht ausziehen, so dass der Vermieter eine Räumungsklage anstrengen musste.

Mieter will nicht ausziehen – Arzt attestiert ihm Depressionen

Damit scheiterte der Vermieter allerdings sowohl vor dem Amtsgericht, als auch vor dem Landgericht. Die Berliner Richter begründeten ihre Urteile mit ärztlichen Attesten, die der Mieter vorgelegt hatte. Die Dokumente attestierten dem Berliner eine Depression mit Suizidversuchen sowie Beschwerden an Magen, Herz und Kreislauf, die damit in Zusammenhang stünden. Außerdem sei der Mann räumungsunfähig, weil er aus orthopädischen Gründen keine Gegenstände von mehr als 10 Kilogramm Gewicht heben könne.

Das stehe einem Umzug entgegen. Die Instanzgerichte hielten das für ausreichend. Das Landgericht urteilte, aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes und fortgeschrittenen Alters sei ein Umzug eine nicht zu rechtfertigende Härte für den Mieter. Der Vermieter zog dagegen vor den Bundesgerichtshof (BGH) und bekam Recht. Die Bundesrichter kippten das Urteil. Eine andere Kammer des Berliner Landgerichts muss den Fall erneut verhandeln und dafür ein Sachverständigengutachten einholen.

Eigenbedarfskündigung abwehren: Ärztliches Attest reicht nicht aus

In dem Gutachten muss der Sachverständige nicht nur Art und Umfang der gesundheitlichen Probleme des Mieters darstellen, sondern auch genau beleuchten, welche konkreten Auswirkungen sie auf die Lebensführung des Mieters im Allgemeinen haben. Außerdem muss der Sachverständige begutachten, wie sich der Verlust der vertrauten Umgebung auf den Gesundheitszustand des Mieters auswirken würde. Damit bleibt der BGH seiner Linie treu: Wegen der gewichtigen Interessen beider Seiten, die bei einer Eigenbedarfskündigung kollidieren, ist stets eine genaue Betrachtung des Einzelfalls für die Urteilsfindung erforderlich.

Ob der Vermieter am Ende wirklich seine Eigenbedarfskündigung durchsetzen kann, ist in diesem Fall also weiterhin offen. Wie die Sache auch ausgeht, am Ende wird das juristische Tauziehen darum mehr als fünf Jahre gedauert haben. Damit zeigt dieser Rechtsstreit einmal mehr, wie schwierig und langwierig es in der Praxis nicht selten ist, eine Kündigung wegen Eigenbedarfs durchzusetzen. Betroffene Eigentümer sollten von vornherein die rechtliche Unterstützung durch die Beratung im örtlichen Verein von Haus & Grund in Anspruch nehmen.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

Information für Menschen, die an Suizidgedanken leiden: Betroffene finden Hilfe zum Beispiel bei der Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar. Der Anruf ist anonym, kostenlos und wird weder von der Telefonrechnung noch vom Einzelverbindungsnachweis erfasst. Viele weitere Beratungsangebote finden Sie hier.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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