Vermieter will sein Au-Pair unterbringen: Eigenbedarfskündigung möglich?

Eine Kündigung wegen Eigenbedarf landet oft vor Gericht. Dort stellt sie immer eine Einzelfallentscheidung dar, gewichtige Interessen beider Seiten sind gegeneinander abzuwägen. Ein interessantes Beispiel dafür kommt jetzt aus München. Dort hatte das Amtsgericht zu entscheiden, ob einer schwerbehinderten Mieterin gekündigt werden darf, um ein Au-Pair in der Wohnung unterzubringen.

Eine Kündigung wegen Eigenbedarf landet oft vor Gericht. Dort stellt sie immer eine Einzelfallentscheidung dar, gewichtige Interessen beider Seiten sind gegeneinander abzuwägen. Ein interessantes Beispiel dafür kommt jetzt aus München. Dort hatte das Amtsgericht zu entscheiden, ob einer schwerbehinderten Mieterin gekündigt werden darf, um ein Au-Pair in der Wohnung unterzubringen.

München. Wenn der Vermieter eine Unterkunft für sein Au-Pair benötigt, kann das eine Eigenbedarfskündigung rechtfertigen. Das Interesse des Vermieters daran wiegt dabei schwer genug, um auch die Räumung einer zu 60 Prozent schwerbehinderten Mieterin durchsetzen zu können. So hat es zumindest das Amtsgericht München jetzt für einen speziellen Einzelfall entschieden (Urteil vom 12.01.2021, Az.: 473 C 11647/20).

Der konkrete Fall stellte sich so dar: Eine Familie mit drei kleinen Kindern lebt in einer Eigentumswohnung in München. Zwei der Kinder besuchen die Grundschule, das Dritte ist erst ein Jahr alt. Wenige Gehminuten entfernt besitzt die Familie eine weitere Wohnung, die sie vermietet. Die Mieterin ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GDB) von 60 Prozent und lebt von Hartz-IV.

Mieterin mit Behinderung gekündigt wegen Au-Pair

Die Vermieter-Familie kündigte der Mieterin und begründete dies mit Eigenbedarf: Sie wollten zum September 2020 ein Au-Pair einstellen und benötigten die vermietete Wohnung als Unterkunft für das Kindermädchen. Die Eigentumswohnung der Familie selbst bietet neben Wohnzimmer, Küche und Bad ein Elternschlafzimmer, drei Kinderzimmer und ein Büro. In letzterem arbeitet die Mutter von zuhause aus. Platz für das Au-Pair sei daher nicht vorhanden.

Die Mieterin weigerte sich jedoch auszuziehen. Sie sei auf dem freien Wohnungsmarkt chancenlos und habe sich bereits vergeblich um eine Ersatzwohnung bemüht. Durch einen Umzug drohten sich außerdem ihre mittelschweren Depressionen zu verschlimmern. Überhaupt stellte sie sich auf den Standpunkt, eine Unterbringung des Au-Pairs in der Wohnung ihrer Vermieter müsse möglich sein, das Baby brauche noch kein eigenes Zimmer. Die Vermieter reichten eine Räumungsklage ein und bekamen Recht.

Räumungsklage hatte Erfolg – jedoch hohe Räumungsfrist wegen Corona

Die Mieterin muss ausziehen, entschied das Amtsgericht. Allerdings setzte es die Frist zur Räumung mit Verweis auf die aktuelle Corona-Lage extrem großzügig auf den 31. Juli 2021 fest. Wegen der Pandemie und des damit einhergehenden Lockdowns sei eine neue Wohnung für die Dame derzeit noch schwieriger zu finden als unter normalen Umständen. Da die Mieterin den Kündigungsgrund nicht zu verantworten habe, sei eine so lange Frist angemessen.

Aber ausziehen muss sie: Das Interesse der Vermieter-Familie an der Unterbringung des Au-Pair rechtfertigt es nach Überzeugung des Amtsgerichts, Eigenbedarf anzumelden. Nur mit dem Au-Pair könnten beide Ehepartner ihrem Beruf nachgehen und zugleich die Kinderbetreuung sicherstellen. Ob diese Notwendigkeit zum Zeitpunkt der Kündigung schon besteht oder das Au-Pair erst später eingestellt wird, sei dabei unerheblich.

Bei Wohnungssuche chancenlos – oder nicht ernsthaft bemüht?

Es reicht aus, dass mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass die Einstellung des Au-Pairs nötig werden wird. Das Gericht wies auch das Argument der Mieterin ab, das Baby brauche noch kein eigenes Zimmer: Die Raumaufteilung innerhalb ihrer Wohnung obliege allein den Eigentümern, stellte der Richter fest. Hauptsache, es gibt kein auffälliges Missverhältnis zwischen der Zimmerzahl und der Nutzung – was das Gericht hier verneinte.

Der Richter kam jedenfalls zu der Überzeugung, dass die volle Ausnutzung des eigenen Wohnraums der Familie hier nicht bloß vorgespielt wurde. Die Behinderung der Mieterin allein reiche als Argument gegen eine Kündigung ebenfalls nicht aus. Sie habe nicht überzeugend darlegen können, warum ihr Gesundheitszustand sie an einem Auszug hindern sollte. Auch ihre Suche nach einer Ersatzwohnung betrachtete das Gericht als halbherzig: Sie habe nur im zentralsten Innenstadtbereich und besonders beliebten Stadtvierteln gesucht.

Das Urteil zeigt einmal mehr, das eine Eigenbedarfskündigung leicht vor Gericht führen kann und im Einzelfall sorgsam begründet sein will. Dann ist sie aber auch kein aussichtsloses Unterfangen, zumal auch die Mieterseite überzeugende Argumente vorbringen muss, um vor Gericht etwas erreichen zu können. Vermieter, die eine Kündigung wegen Eigenbedarf aussprechen möchten, sollten sich daher am besten gleich zu Beginn des Vorhabens an die Rechtsberatung in ihrem örtlichen Haus & Grund-Verein wenden.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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